Cheatsheet: Medizinische Biometrie & Epidemiologie


1. Epidemiologische Grundlagen

Definition & Ziele

  • Epidemiologie: Wissenschaft, die Verbreitung, Ursachen und Folgen gesundheitsbezogener Zustände in Bevölkerungen untersucht.
    • Ziele:
      • Verbreitung von Krankheiten erforschen.
      • Risikofaktoren und Ursachen identifizieren.
      • Evaluation präventiver, diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen.

Historische Beispiele

  • Ignaz Semmelweis (1846–1847): Händedesinfektion reduziert Kindbettfieber.
  • John Snow (1855): Cholera-Ausbruch in London durch kontaminiertes Wasser.
  • Florence Nightingale: Statistische Darstellung von Todesursachen im Krimkrieg.

Herausforderungen

  • Confounding: Störgrößen verfälschen Assoziationen.
    • Kriterien für Kausalität (Bradford-Hill):
      1. Stärke der Assoziation.
      2. Dosis-Wirkungs-Beziehung.
      3. Konsistenz.
      4. Biologische Plausibilität.
  • Ökologischer Bias: Assoziationen auf Populationsebene ≠ individueller Ebene.

2. Grundbegriffe

Prävalenz vs. Inzidenz

PrävalenzInzidenz
Anteil Erkrankter zu einem ZeitpunktNeue Fälle im Zeitraum
Formel: Formel:
Beispiel: 70/1038 Frauen mit Arthritis (Prävalenz = 6,7%).Beispiel: 11 Hirntumorfälle bei 3076 Männern über 13 Jahre (Inzidenz = 0,004).

Mortalität vs. Letalität

MortalitätLetalität
Sterberate in der BevölkerungSterberate unter Erkrankten
Formel: Formel:
Beispiel: 0,059% Kreislauferkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern.Beispiel: 83% Letalität bei Lungenkrebs in den USA (2001).

Zusammenhänge

  • Prävalenz ≈ Inzidenz × Krankheitsdauer.
  • Mortalität ≈ Inzidenz × Letalität.

3. Studiendesigns

Studientypen

TypBeschreibungVorteileNachteile
Fall-Kontroll-StudieRetrospektiv; vergleicht Exposition bei Fällen vs. Kontrollen.Schnell, kostengünstig, gut für seltene Krankheiten.Recall-Bias, keine Inzidenzberechnung.
KohortenstudieProspektiv; beobachtet Exponierte vs. Nicht-Exponierte.Ermöglicht Inzidenzberechnung, Kausalität möglich.Lang, teuer, ungeeignet für seltene Krankheiten.
Randomisierte kontrollierte Studie (RCT)Randomisierte Zuteilung zu Interventions-/Kontrollgruppe.Hohe interne Validität, Confounding minimiert.Ethische Bedenken, hohe Kosten.
QuerschnittsstudieErhebt Daten zu einem Zeitpunkt.Gut für Prävalenzschätzungen.Keine Kausalität, zeitliche Unsicherheit.

Bias-Arten

  • Selektionsbias: Systematische Unterschiede in der Rekrutierung (z. B. Krankenhaus-basierte Kontrollen).
  • Informationsbias: Fehlerhafte Messungen (z. B. Recall-Bias bei retrospektiven Studien).

4. Klinische Studien & Pharmakokinetik

Phasen der Medikamentenentwicklung

  1. Phase I: Sicherheit, Pharmakokinetik an gesunden Probanden.
  2. Phase II: Wirksamkeit, Dosierung an kleinen Patientengruppen.
  3. Phase III: Groß angelegte RCTs für Zulassung.
  4. Phase IV: Post-Marketing-Überwachung.

Pharmakokinetik

  • ADME: Absorption, Distribution, Metabolismus, Elimination.
  • Michaelis-Menten-Kinetik:
  • Halbwertszeit: .

5. Diagnostische Studien

Kennzahlen

BegriffFormelBeschreibung
Sensitivität (TPR)Fähigkeit, Kranke zu erkennen.
Spezifität (TNR)Fähigkeit, Gesunde zu erkennen.
PPVWahrscheinlichkeit, bei positivem Test krank zu sein.
NPVWahrscheinlichkeit, bei negativem Test gesund zu sein.

ROC-Kurve

  • Grafische Darstellung von Sensitivität vs. 1-Spezifität für verschiedene Grenzwerte.
  • AUC (Area Under Curve): Maß für die overall Genauigkeit (1 = perfekt, 0,5 = zufällig).

6. Statistische Maße

  • Relatives Risiko (RR): .
  • Odds Ratio (OR): .
  • Beispiel: OR = 14,04 in Doll & Hills Raucherstudie (Lungenkrebsrisiko).

7. Wichtige Formeln

  • Prävalenz: .
  • Inzidenz: .
  • Letalität: .
  • Eliminierung 1. Ordnung: .

8. Fallbeispiele

  • Contergan-Skandal: Fehlende Teratogenitätstests führten zu Fehlbildungen (1957–1961).
  • Doll & Hill: Rauchen und Lungenkrebs (OR = 14,04 bei Männern).

Hinweis: Nutzen Sie dieses Cheatsheet zur Wiederholung der Schlüsselkonzepte, Formeln und Beispiele. Achten Sie auf die Unterschiede zwischen Studiendesigns, Bias-Arten und diagnostischen Kennzahlen! 📚🔍