12. SIR-Modelle und deren Erweiterungen

SIR-Modelle und deren Erweiterungen

Einführung

SIR-Modelle sind grundlegende mathematische Modelle zur Beschreibung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten in einer Population. Der Name “SIR” steht für die drei Hauptzustände, in denen sich Individuen befinden können: Susceptible (anfällig), Infected (infiziert) und Recovered (genesen). Diese Modelle sind entscheidend für das Verständnis epidemiologischer Prozesse und die Entwicklung von Strategien zur Krankheitsbekämpfung. Ihre Relevanz zeigt sich besonders in der aktuellen globalen Gesundheitslandschaft, in der Infektionskrankheiten wie COVID-19 erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Anwendung

SIR-Modelle werden in verschiedenen Bereichen eingesetzt, um die Dynamik von Infektionskrankheiten zu analysieren und vorherzusagen. Typische Anwendungen umfassen:

  • Öffentliche Gesundheitsplanung: Unterstützung bei der Entscheidungsfindung über Impfstrategien und Quarantänemaßnahmen.
  • Epidemiologische Forschung: Untersuchung der Ausbreitungsmechanismen von Infektionskrankheiten.
  • Krankheitsüberwachung: Vorhersage von Krankheitsausbrüchen und Bewertung der Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen.

Aufbau / Bestandteile

Das klassische SIR-Modell besteht aus drei Hauptkompartimenten:

  • S (Susceptible): Die Anzahl der anfälligen Individuen, die die Krankheit noch nicht hatten.
  • I (Infected): Die Anzahl der aktuell infizierten Individuen, die die Krankheit übertragen können.
  • R (Recovered): Die Anzahl der Individuen, die sich von der Krankheit erholt haben und immun sind.

Die Dynamik des Modells wird durch folgende Differentialgleichungen beschrieben:

Hierbei ist die Übertragungsrate und die Genesungsrate. ist die Gesamtbevölkerung, die als konstant angenommen wird.

Interpretation

Im SIR-Modell sind einige Kennzahlen von besonderem Interesse:

  • Grundreproduktionszahl (): Ein wichtiger Parameter, der die durchschnittliche Anzahl der sekundären Infektionen angibt, die ein infiziertes Individuum in einer vollständig anfälligen Population verursacht. Sie wird durch berechnet.
  • Herd Immunity Threshold: Der Anteil der Bevölkerung, der immun sein muss, um die Ausbreitung der Krankheit zu stoppen, berechnet als .

Praxisbeispiel

Um das SIR-Modell in R zu simulieren, kann folgendes Skript verwendet werden:

library(deSolve)
 
# Parameter und Anfangswerte
parameters <- c(beta = 0.3, gamma = 0.1)
initial_state <- c(S = 999, I = 1, R = 0)
times <- seq(0, 160, by = 1)
 
# SIR-Modell als Funktion
sir_model <- function(time, state, parameters) {
  with(as.list(c(state, parameters)), {
    dS <- -beta * S * I / (S + I + R)
    dI <- beta * S * I / (S + I + R) - gamma * I
    dR <- gamma * I
    list(c(dS, dI, dR))
  })
}
 
# Simulation
output <- ode(y = initial_state, times = times, func = sir_model, parms = parameters)
 
# Visualisierung
plot(output, col = c("blue", "red", "green"), lwd = 2, ylab = "Population", xlab = "Time")
legend("right", legend = c("Susceptible", "Infected", "Recovered"), col = c("blue", "red", "green"), lty = 1, lwd = 2)

SIR-Simulation

Erweiterungen

Es gibt zahlreiche Erweiterungen des klassischen SIR-Modells, die komplexere epidemiologische Szenarien abbilden:

  • SEIR-Modell: Fügt eine Exposed (exponiert) Komponente hinzu, um die Inkubationszeit zu berücksichtigen.
  • SIS-Modell: Modelliert Krankheiten, bei denen Genesene wieder anfällig werden können.
  • SIRD-Modell: Berücksichtigt Todesfälle durch die Einführung eines D (Deceased) Kompartiments.

Moderne Entwicklungen umfassen agentenbasierte Modelle und stochastische Simulationen, die eine detailliertere und realistischere Modellierung ermöglichen.

Fazit

SIR-Modelle sind ein grundlegendes Werkzeug in der Epidemiologie, das wichtige Einblicke in die Dynamik von Infektionskrankheiten bietet. Durch Erweiterungen und Anpassungen können sie an spezifische Krankheitseigenschaften und Populationen angepasst werden. Für die Zukunft sind weitere Forschung und Entwicklung erforderlich, um die Genauigkeit und Anwendbarkeit dieser Modelle in realen Szenarien zu verbessern.

Weiterführende Literatur

  • Anderson, R. M., & May, R. M. (1991). Infectious Diseases of Humans: Dynamics and Control. Oxford University Press.
  • Keeling, M. J., & Rohani, P. (2008). Modeling Infectious Diseases in Humans and Animals. Princeton University Press.