Risikomaßzahlen
Risikomaßzahlen
Epidemiologische Daten, die durch klinische Studien gewonnen werden, ermöglichen es, die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines bestimmten Ereignisses von Interesse innerhalb einer untersuchten Population zu bestimmen. Diese Wahrscheinlichkeit bzw. dieses Risiko kann durch sogenannte Risikomaßzahlen quantifiziert werden, bei denen es sich um mathematische Formeln handelt, die aus Vierfeldertafeln abgeleitet werden. Zu diesen Risikomaßzahlen gehören das absolute Risiko (AR), das relative Risiko (RR), das attributable Risiko und die Odds Ratio (OR), die je nach Bedarf unterschiedliche Informationen liefern.
Inhalt
- Vierfeldertafel
- Absolutes Risiko (AR)
- Relatives Risiko (RR)
- Attributables Risiko (zuschreibbares Risiko)
- Odds Ratio (OR, Chancenverhältnis)
- Quellen
Vierfeldertafel
Definition
Eine Vierfeldertafel veranschaulicht die Häufigkeitsverteilungen von Variablen einer Studie und ist eine praktische Methode, um Beziehungen zwischen Variablen zu untersuchen.
Struktur der Vierfeldertafel
- 2×2-Raster, um Zusammenhänge zwischen Variablen darzustellen
- Jedes Feld in der Tabelle: Anzahl der Personen in der Studie, die eine spezifische Kombination von Variablen aufweist (Kennzeichnung mit Buchstaben A-D)
- Verwendung jener Buchstaben in Formeln zur Berechnung verschiedener Risikomaßzahlen
- Stets gleicher Aufbau der Vierfeldertafel, damit die Formeln angewendet werden können:
- Zeilen: Exposition oder keine Exposition (z.B. Rauchen)
- Spalten: Ereignis oder kein Ereignis (z.B. Lungenkarzinom)
- “Ja” an erster Stelle, “Nein” an zweiter Stelle
Bedeutung der Buchstaben:
- A = Exposition und Eintreten des Ereignisses (z.B. Raucher*in entwickelt Lungenkarzinom)
- B = Exposition, aber kein Eintreten des Ereignisses (z.B. Raucher*in entwickelt kein Lungenkarzinom)
- C = Keine Exposition, aber Eintreten des Ereignisses (z.B. Nichtraucher*in entwickelt Lungenkarzinom)
- D = Keine Exposition und kein Eintreten des Ereignisses (z.B. Nichtraucher*in entwickelt kein Lungenkarzinom)
Gesamtzahl:
Jede Zeile und Spalte hat Zwischensummen, die sogenannten Randsummen, in der Spalte ganz rechts und in der untersten Zeile.
N: Gesamtzahl der Personen (im Feld unten rechts)
Schnelle Berechnung mehrerer epidemiologischer Maßzahlen und Prüfung von Zusammenhängen.
Beispiel
Darstellung einer Vierfeldertafel: Die Zellen veranschaulichen die Häufigkeitsverteilung (A, B, C, D) für verschiedene Kombinationen der beiden Variablen (Ereignis, Exposition) für eine Population der Größe N.
Ereignis Ja (E) | Ereignis Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Exposition Ja (X) | A | B | A + B |
Exposition Nein (¬X) | C | D | C + D |
Randsumme | A + C | B + D | N = A + B + C + D |
Absolutes Risiko (AR)
Definition
Das AR ist das Risiko, nach Exposition zu erkranken.
Kumulative Inzidenzrate (I) der exponierten (oder nicht-exponierten) Patient*innen
Hinweis: Sowohl das absolute Risiko als auch das attributable Risiko (siehe unten) werden häufig mit AR abgekürzt, weshalb das absolute Risiko stattdessen oft als Inzidenz (I) bezeichnet wird.
Berechnung des absoluten Risikos
Das AR wird berechnet, indem die Anzahl der Personen, die zu einem bestimmten Ereignis zugehörig ist, durch die Gesamtzahl der Personen mit der gleichen Exposition (oder der gleichen Nichtexposition) geteilt wird. Dieses Risiko kann sowohl für exponierte als auch für nicht-exponierte Bevölkerungsgruppen berechnet werden.
Vorgehensweise:
- Erstellen einer Vierfeldertafel:
Ereignis Ja (E) | Ereignis Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Exposition Ja (X) | A | B | A + B |
Exposition Nein (¬X) | C | D | C + D |
Randsumme | A + C | B + D | N = A + B + C + D |
- Berechnung des absoluten Risikos der Exponierten anhand der Vierfeldertafel:
(A = Exposition und Eintreten des Ereignisses; B = Exposition, aber kein Eintreten des Ereignisses)
- Berechnung des absoluten Risikos der Nicht-Exponierten anhand der Vierfeldertafel:
(C = keine Exposition, aber Eintreten des Ereignisses; D = keine Exposition und kein Eintreten des Ereignisses)
Beispiel für die Berechnung des absoluten Risikos
Beispiel 1:
In einer Population von 100 Raucher*innen erkranken 75 an einem Lungenkarzinom und 25 nicht. Wie hoch ist das absolute Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wenn man Raucher*in ist?
Bezug der Frage auf das AR der Exponierten
Erstellen einer Vierfeldertafel mit der Exposition (Rauchen) auf der vertikalen Achse und dem Ereignis (Lungenkarzinom) auf der horizontalen Achse.
Antwort:
Beispiel 2:
In einer Population von 100 Nichtraucher*innen erkranken 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Wie hoch ist das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wenn man Nichtraucher*in ist?
Bezug der Frage auf das AR der nicht Exponierten
Erstellen einer Vierfeldertafel mit der Exposition (Rauchen) auf der vertikalen Achse und dem Ereignis (Lungenkarzinom) auf der horizontalen Achse.
Antwort:
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Absolute Risikoreduktion (ARR)/absolute Risikozunahme (Englisches Akronym: ARI)
Die ARR oder ARI beschreiben ein Maß für die Reduktion oder Zunahme des Risikos, eine Krankheit aufgrund einer Exposition zu entwickeln.
Andere Möglichkeiten, ARR zu beschreiben:
- Differenz der absoluten Risiken zwischen Exponierten und Nicht-Exponierten
- Differenz der Inzidenzraten
- Differenz zwischen dem Prozentsatz der Erkrankten in den exponierten und nicht-exponierten Gruppen
Die ARR kann als die durch die Exposition “gewonnene” oder “verlorene” Gesundheit interpretiert werden. Beispielhaft kann man sich fragen, um wie viel % sich das Lungenkarzinomrisiko verringert, wenn man nicht raucht.
Die ARR zwischen der exponierten und der nicht-exponierten Gruppe kann folgendermaßen berechnet werden:
Da dasselbe ist wie , kann diese Formel mithilfe einer Vierfeldertafel berechnet werden.
Beispiel für die Berechnung der absoluten Risikoreduktion
In einer Gruppe von 100 Raucher*innen erkrankten 75 an einem Lungenkarzinom und 25 nicht. In einer Gruppe von 100 Nichtraucher*innen erkrankten 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Um wie viel % verringert das Nichtrauchen das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken?
Bezug der Frage auf die ARR, die durch die Vermeidung der Exposition (Rauchen) erreicht wird
Erstellen einer Vierfeldertafel mit der Exposition (Rauchen) auf der vertikalen Achse und dem Ereignis (Lungenkarzinom) auf der horizontalen Achse.
Antwort:
Auswertung:
Auf der Grundlage dieser Daten verringert der Verzicht auf das Rauchen das absolute Risiko einer Person, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, um 65 %.
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Number needed to treat/harm
Diese Risikomaßzahlen werden in der Regel bei der Prüfung neuer therapeutischer Optionen angegeben.
- “Exposition”: neues Medikament/Verfahren
- “Ereignis”: Nutzen des Verfahrens oder eine mögliche unerwünschte Nebenwirkung
Number needed to treat (NNT):
Anzahl der Patient*innen, die behandelt werden müssten, um bei einer weiteren Person ein unerwünschtes Ereignis zu verhindern, welches ohne die Behandlung aufgetreten wäre.
(d.h. Kehrwert der ARR)
Number needed to harm (NNH):
Gebrauch bei Berichten über experimentelle Behandlungen mit potenziellen unerwünschten Nebenwirkungen.
Anzahl der Patient*innen, die behandelt werden müssten, um das Ereignis (unerwünschte Nebenwirkungen) zu erreichen.
(d.h. Kehrwert der ARI)
Relatives Risiko (RR)
Definition
Das relative Risiko (RR) ist das Risiko, dass eine Krankheit in einer Gruppe mit einer bestimmten Exposition im Verhältnis zu einer Kontrollgruppe (nicht-exponiert) auftritt.
- Risiko, die Krankheit nach einer Exposition zu entwickeln, verglichen mit dem Risiko, die Krankheit ohne Exposition zu entwickeln.
- Verdeutlichung, wie stark die Exposition mit dem Krankheitsrisiko assoziiert ist.
Berechnung des relativen Risikos
Das RR ist in der Regel eine der wichtigsten Risikomaßzahlen, die berechnet wird. Kohortenstudien sind die einzigen Beobachtungsstudien, die das RR bestimmen können.
Das relative Risiko wird berechnet als das absolute Risiko der Exponierten () geteilt durch das absolute Risiko der Nicht-Exponierten ():
Da die Inzidenzraten dieselben sind wie das AR, kann das RR aus einer Vierfeldertafel mithilfe der folgenden erweiterten Formel berechnet werden:
Interpretation des relativen Risikos
-
RR = 1:
Das Risiko für das Ereignis ist für die exponierte Gruppe und die nicht-exponierte Gruppe gleich hoch.
Kein Zusammenhang zwischen Exposition und Ereignis. -
RR > 1:
Das Risiko der exponierten Gruppe ist größer als das Risiko der nicht-exponierten Gruppe;
Nachweis eines positiven Zusammenhangs/eines möglichen kausalen Faktors. -
RR < 1:
Das Risiko der exponierten Gruppe ist niedriger als das Risiko der nicht-exponierten Gruppe;
Nachweis eines negativen Zusammenhangs/möglicher protektiver Faktor.
Beispiel für die Berechnung des relativen Risikos
In einer Gruppe von 100 Raucher*innen erkrankten 75 an einem Lungenkarzinom und 25 nicht. In einer Gruppe von 100 Nichtraucher*innen erkrankten 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Wie hoch ist das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wenn man raucht, im Vergleich zu dem Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wenn man nicht raucht?
Bezug der Frage auf das relative Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken
Erstellen einer Vierfeldertafel.
Antwort:
Auswertung:
Ausgehend von dieser Stichprobe ist die Wahrscheinlichkeit, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, für Raucher*innen 7,5-mal höher als für Nichtraucher*innen.
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Relative Risikoreduktion (RRR)/relative Risikozunahme (Englisches Akronym: RRI)
Definition:
RRR:
Risikoreduktion oder -anstieg eines bestimmten Ereignisses einer Gruppe mit bekannter Exposition im Verhältnis zu einer nicht-exponierten Kontrollgruppe.
Anteil des Ausgangsrisikos, der durch Nichtexposition verringert wird.
Beispiel: Wie viel % weniger Lungenkarzinom kann man erwarten, wenn die Menschen nicht rauchen?
Berechnung:
Die RRR wird berechnet als die Differenz zwischen des absoluten Risikos einer Krankheit in einer exponierten () und einer nicht-exponierten () Gruppe, dividiert durch das absolute Risiko in der nicht-exponierten Gruppe:
Beispiel für die Berechnung der relativen Risikoreduktion
In einer Kohortenstudie mit 100 Raucher*innen entwickelten 75 nach 10 Jahren ein Lungenkarzinom und 25 nicht. In einer Gruppe von 100 Nichtraucher*innen erkrankten 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Wie viel % weniger Lungenkarzinom wäre in der Bevölkerung zu erwarten, wenn die Menschen nicht rauchen würden?
Bezug der Frage auf die RRR, die durch Nichtrauchen erreicht wird
Erstellen einer Vierfeldertafel.
Antwort:
Auswertung:
Auf der Grundlage dieser Daten reduziert der Verzicht auf das Rauchen das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, um 650 %.
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Attributables Risiko (zuschreibbares Risiko)
Definition
Das attributable Risiko ist ein Maß für das Risiko, ein mit einer bestimmten Exposition verbundenes Ereignis zu entwickeln.
- Fragestellung: Wie viel % der Ereignisse können auf das Verhalten zurückgeführt werden?
- Synonym: Überschussrisiko (Angabe, um wie viel % ein bestimmtes Verhalten das Ausgangsrisiko für die Entwicklung eines bestimmten Ereignisses erhöht)
- Ähnliche Formel wie die für die ARR (Verwendung des attributablen Risikos in epidemiologischen Studien)
2 Arten des attributablen Risikos:
- Attributables Risiko unter Exponierten (ARE)
- Populationsattributables Risiko (PAR)
Hinweis: Sowohl das absolute Risiko als auch das attributable Risiko werden häufig mit AR abgekürzt, weshalb das absolute Risiko häufig stattdessen als Inzidenz (I) bezeichnet wird.
Attributables Risiko unter Exponierten (ARE)
Das attributable Risiko unter Exponierten beschreibt den Unterschied in der Häufigkeit einer Krankheit zwischen der exponierten und der nicht-exponierten Gruppe. Wie viel % der Lungenkarzinomfälle sind zum Beispiel wahrscheinlich auf das Rauchen zurückzuführen?
Das attributable Risiko wird berechnet, indem die absolute Häufigkeit in der nicht-exponierten Gruppe () von der absoluten Häufigkeit in der exponierten Gruppe () subtrahiert und durch die absolute Häufigkeit in der exponierten Gruppe geteilt wird:
Beispiel:
In einer Kohortenstudie mit 100 Raucher*innen entwickelten 75 nach 10 Jahren ein Lungenkarzinom und 25 nicht. In einer Gruppe von 100 Nichtraucher*innen erkrankten 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Wie viel % der Lungenkarzinomfälle sind wahrscheinlich auf das Rauchen zurückzuführen?
Bezug der Frage auf das attributable Risiko unter Exponierten
Antwort:
Interpretation:
86,7 % der Lungenkarzinomfälle sind auf das Rauchen zurückzuführen.
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Populationsattributables Risiko (PAR)
Das PAR ist das attributable Risiko für eine gesamte Bevölkerung. Es stellt den Anteil der Fälle dar, die in einer Population nicht auftreten würden, wenn die Exposition beseitigt werden würde.
Beispiel: Wie viel % der Lungenkarzinomfälle könnten zum Beispiel verhindert werden, wenn niemand rauchen würde?
Das PAR wird berechnet, indem die absolute Häufigkeit in der nicht-exponierten Bevölkerung von der absoluten Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung abgezogen wird:
Beispiel:
In einer Kohortenstudie mit 100 Raucher*innen entwickelten 75 nach 10 Jahren ein Lungenkarzinom und 25 nicht. In einer Gruppe von 100 Nichtraucher*innen erkrankten 10 an einem Lungenkarzinom und 90 nicht. Wie viel % der Lungenkarzinomfälle könnten verhindert werden, wenn niemand rauchen würde?
Bezug der Frage auf das populationsattributable Risiko
Antwort:
76,5 % der Lungenkarzinomfälle könnten verhindert werden, wenn niemand rauchen würde.
Lungenkarzinom Ja (E) | Lungenkarzinom Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Raucher Ja (X) | 75 | 25 | 100 |
Raucher Nein (¬X) | 10 | 90 | 100 |
Randsumme | 85 | 115 | 200 |
Odds Ratio (OR, Chancenverhältnis)
Definition
Sie quantifiziert die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen oder Ereignissen.
- OR: Verhältnis der Odds zweier Gruppen für das Auftreten eines Ereignisses
- Odds: Chance, dass Ereignis eintritt, geteilt durch die Chance, dass Ereignis nicht eintritt
Beispiel:
- Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Münzwurf “Kopf” fällt: 50 %
- Odds: 1 (50 % ÷ 50 %)
Anwendung in klinischen Studien:
- Messung des Zusammenhangs zwischen einer Exposition und einem Ereignis
- Keine Kausalität impliziert
- Verwendung zur Schätzung des RR, wenn Inzidenz unbekannt ist, z.B. in Fall-Kontroll-Studien
- Verwendung bei seltenen Krankheiten (typischerweise bei einer Prävalenz ≤ ca. 10 %)
- Verwendung auch bei komplizierteren statistischen Analysen:
- Betrachtung als eine Art von RR
- Verwendung zur Bestimmung von Risikofaktoren in Studien
Berechnung der Odds Ratio
Die OR wird bei unbekannter Inzidenz, z.B. in Fall-Kontroll-Studien, als Schätzung des relativen Risikos verwendet. Sie wird berechnet, indem die Odds der Exposition bei den Erkrankten durch die Odds der Exposition bei den Nicht-Erkrankten geteilt wird:
(A = Anzahl der exponierten Fälle; B = Anzahl der exponierten Nicht-Erkrankten; C = Anzahl der nicht-exponierten Fälle; D = Anzahl der nicht-exponierten Nicht-Erkrankten)
Durch Umstellen der Formel erhält man die vereinfachte Gleichung:
Interpretation der Odds Ratio
Die OR wird auf die gleiche Weise interpretiert wie das RR:
-
OR = 1:
- Das Risiko für das Ereignis für die exponierte Gruppe ist so hoch wie für die nicht-exponierte Gruppe.
- Kein Zusammenhang zwischen Exposition und Ereignis.
-
OR > 1:
- Das Risiko in der exponierten Gruppe ist größer als das Risiko in der nicht-exponierten Gruppe.
- Nachweis eines positiven Zusammenhangs/möglicher kausaler Faktor.
-
OR < 1:
- Das Risiko in der exponierten Gruppe ist niedriger als das Risiko in der nicht-exponierten Gruppe.
- Nachweis eines negativen Zusammenhangs/möglicher protektiver Faktor.
Beispiel
In diesem Beispiel erkrankten 6 Personen an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK). 3 von ihnen aßen eine erhebliche Menge Rindfleisch und 3 nicht. Diese Patient*innen wurden in einer Fall-Kontroll-Studie mit einer Kontrollpopulation verglichen. Von den 10 Personen der Kontrollpopulation aßen 4 eine erhebliche Menge Rindfleisch und 6 nicht. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, nach dem Verzehr einer großen Menge Rindfleisch an der CJK zu erkranken?
Antwort:
Auswertung:
Die Wahrscheinlichkeit, an der CJK zu erkranken, ist in der Gruppe, die Rindfleisch gegessen hat, um 50 % höher, was die Annahme unterstützt, dass der Verzehr von Rindfleisch ein Risikofaktor für die Entwicklung der CJK ist.
CJK Ja (E) | CJK Nein (¬E) | Randsumme | |
---|---|---|---|
Rindfleisch Ja (X) | 3 | 4 | 7 |
Rindfleisch Nein (¬X) | 3 | 6 | 9 |
Randsumme | 6 | 10 | 16 |
Hinweis: Dies sind hypothetische Daten. Die tatsächlichen Inzidenzraten der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind viel niedriger als diese Daten vermuten lassen.
Quellen
- Celentano, D., Szklo, M. (2019). Estimating risk: is there an association? Gordis Epidemiology (pp. 240–258).
- Szumilas M. (2010). Explaining odds ratios. Journal of the Canadian Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 19, 227–229.
- Beaglehole, R. (2006). Basic epidemiology. Geneva: WHO.
- Bhopal, R. S. (2016). Concepts of Epidemiology. Oxford University Press. Link
- Edwards, A. W. F. (1963). The measure of association in a 2×2 table. Journal of the Royal Statistical Society A (General), 126, 109–114.
- Morris, A., Gardner, M. (1988). Calculating confidence intervals for relative risks (odds ratios) and standardised ratios and rates. British Medical Journal Clinical Research, 296, 1313–1316.
- Zhang, J., Yu, K. (1998). What’s the relative risk? A method of correcting the odds ratio in cohort studies of common outcomes. JAMA, 280, 1690–1691.
- Medizinische Statistik. NNT – Number needed to treat (Zugriff am 09.10.2022)
- StatistikGuru (2016). Odds Ratio (Zugriff am 09.10.2022)